Die taktische Entwicklung des Fußballs in Deutschland

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Die verschiedenen Spielsysteme und welche sich tatsächlich durchgesetzt haben

Der Fußball hat die Herzen der deutschen Fans erobert und ist seit Jahrzehnten der Volkssport Nummer 1 hierzulande. Die deutschen Fußballfans, egal welchen Alters, können sich vermutlich, ohne lange überlegen zu müssen, an verschiedene „Phasen“ der Wandlung des Sports erinnern. Während etwa in den 1990er-Jahren der Libero noch der wichtigste Mann auf dem Platz war, ist es heute für manche Taktikfüchse gar der Torwart. Selbst die WM 2022 zeigte Eigenheiten: schneller Konter und mehr Tore über Standards.

Aber wo fingen all diese Taktikspielchen eigentlich an? Genau mit dieser Frage beschäftigen wir uns hier und heute. Eines wird dabei jedoch direkt deutlich, der deutsche Fußball wurde taktisch häufig von Einflüssen aus dem Ausland geprägt. Eine kleine Ausnahme hiervon ist jedoch die Nationalmannschaft. Hier brachten lange typisch deutsche „Tugenden“ wie Einsatz, Kampfgeist, mannschaftliche Geschlossenheit und Wille zum Erfolg. Außerdem konnte man sich ja im schlimmsten Fall auf die Turniermannschaft Deutschland verlassen. Nun möchten wir Sie allerdings auf eine Reise in die Vergangenheit des Fußballs in Deutschland, Europa und der Welt mitnehmen. Ähnliche bemerkenswerte Entwicklungen haben vermutlich lediglich Online Casino seriöse erlebt.

Vom Rugby zum Fußball, was sind noch einmal taktische Aufstellungen?

Als der Fußball sich frisch vom Rugby abspaltete, spielte das Wort Taktik überhaupt keine Rolle. Das Motto lautete damals, dass man Spiele gewinnt, wenn man mehr Tore als der Gegner schießt. Diese alte Weisheit gilt natürlich auch heute noch. Schaut man sich allerdings die Aufstellung des ersten Länderspiels der Welt an, wird direkt deutlich, was sich seitdem verändert hat.

Als England 1872 gegen Schottland antrat, spielten die Three Lions in einer 1-2-7 Formation, während die Schotten auf eine 2-2-6 Formation vertrauten. Dass mit möglichst vielen offensiv ausgerichteten Spielern nicht automatisch viele Tore fallen müssen, mussten beide Mannschaften direkt am eigenen Leibe erfahren. Dieses Spiel ging nämlich 0:0 aus.

Die 1950er-Jahre und die erste taktische Revolution

In den 1950er-Jahren konnte man dann zum ersten Mal so etwas wie eine taktische Revolution im Fußball beobachten. Ausgangspunkt dieser Revolution war das Mutterland des Fußballs. Der englische Trainer Herbert Chapman bereitete diesem alle-Mann-nach-vorne-Fußball ein Ende. Er gilt als der Erfinder einer defensiven Grundordnung, indem er zum ersten Mal in einer Dreierabwehrkette spielen ließ.

Sein Erfolgsrezept war ein 3-2-2-3 System und dieses WM-System (so benannt, da die taktische Grundausrichtung auf dem Feld die Buchstaben W und M ergaben) verbreitete sich schnell in ganz Europa. Ungarn perfektionierte es, indem es eine hängende Spitze einbaute. Der klassische Spielmacher war geboren! Auf Jahre dominierten die Ungarn den Weltfußball, bis der deutsche Trainer Sepp Herberger im WM-Finale von Bern darauf reagierte, indem er den Spielmacher mit einer Manndeckung aus dem Spiel nehmen ließ.

Die Deutsche Nationalmannschaft im grünen Auswärtstrikot 1954 (Von links an : Fritz Walter, Anton Turek, Horst Eckel, Helmut Rahn, Ottmar Walter, Werner Liebrich, Josef Posipal, Hans Schäfer, Werner Kohlmeyer, Karl Mai and Maximilian Morlock).

Ende der 1950er bis Mitte der 1960er-Jahre – Die Viererkette und der italienische Catenaccio

Die brasilianische Seleçao brachte das taktische Niveau Ende der 1950er-Jahre von Neuem durcheinander. Die Brasilianer setzten auf Raumdeckung sowie eine Viererabwehrkette. Erstmals wurden Außenverteidiger auch für das Offensivspiel eingeplant, um Überzahlsituationen im Mittelfeld zu schaffen. In Europa setzte sich hingegen ein völlig anderer Spielstil durch.

Die Italiener setzten von nun an voll und ganz auf die Defensive. So trat Inter Mailand in einem 4-5-1 an und war mit diesem Abwehrbollwerk sogar derart erfolgreich, dass sich dieser taktische Stil in ganz Europa ausbreitete. Der Catenaccio war natürlich für die Fans weniger unterhaltsam, jedoch fand er auch in Deutschland schnell Anhänger. Attraktiver und offensiver Fußball wurde hierzulande dem reinen Ergebnisfußball untergeordnet.

Johan Cruyff und die Niederländer richten in den 1970er-Jahren erstmals den Fokus auf die Offensive

In den Niederlanden entwickelte ein gewisser Rinus Michels eine Gegentaktik zum Catenaccio. Sein Lösungsansatz, die Abwehrreihen der Gegner zu durchbrechen, beruhte auf einem 4-3-3 System. Ihm gelang es zunächst mit Ajax Amsterdam und anschließend mit der niederländischen Nationalmannschaft, das Spielsystem des Fußballs grundlegend zu modernisieren. Deutschland wurde dann 1974 Weltmeister mit einem ähnlichen System.

Dabei war die Abkehr von der Positionstreue seiner Spieler der Ausgangspunkt. Er brachte die Gegner zur Verzweiflung, da niederländische Stürmer verteidigten und Abwehrspieler sich ins Angriffsspiel einschalteten. Man rotierte also auf den Positionen und das von den meisten Mannschaften bis dahin praktizierte Konzept der Manndeckung gelangte schnell an seine Grenzen.

Der Österreicher Ernst Happel krempelt den deutschen Fußball in seiner Zeit beim Hamburger SV um

Die niederländische Spielidee von „Totaal Voetball“ schwappte auch rasch über die Grenze nach Deutschland. Der österreichische Trainer Ernst Happel modifizierte die Idee des Angriffsfußballs gar derart erfolgreich, dass er mit dem Hamburger SV 1983 den Pokal der Landesmeister gewinnen konnte. Happel kam aus seiner Zeit bei Feyenoord Rotterdam sowie bei der niederländischen Nationalmannschaft in Kontakt mit diesem neuen Spielkonzept.

In Hamburg entwickelte er es allerdings noch einmal deutlich weiter. Für ihn stand die Offensive nun noch mehr im Mittelpunkt. Die Offensivspieler sollten bereits vorne durch schnelle Pressingaktionen die Abwehrarbeit einläuten und den Gegner dabei zu Fehlern zwingen. Außerdem schaffte er das bis dahin in Hamburg und weitestgehend in ganz Deutschland praktizierte System der Manndeckung ab und führte die Raumdeckung ein. 

Der Libero – Ein deutscher Weg zum Erfolg

Im deutschen Fußball setzte sich in den 1980er- bis 1990er-Jahren eine 3-4-3 Formation durch. Diese wurde später zu einem 4-3-3 und dann zu einem 3-5-2 weiterentwickelt. Diese drei taktischen Formationen hatten jedoch allesamt eine Gemeinsamkeit. Es wurde mit einem „freien“ Mann, dem Libero gespielt.

Der Libero war nicht an seine Position gebunden und schaltete sich wo immer möglich ins Offensivspiel ein. Während er bei Ballbesitz in die Vorwärtsbewegung ging, sicherte ihn ein Vorstopper ab, welcher sich in die Abwehrzentrale fallen ließ. Besonders die Spieler Lothar Matthäus sowie Matthias Sammer nahmen diese Rolle de facto in Perfektion ein.

Lothar Matthäus (L) und Pierre Littbarski feiern die Weltmeisterschaft am 08. July 1990 in Rom nach einem 1:0 gegen Argentinien. AFP PHOTO / AFP PHOTO / STAFF
Lothar Matthäus (L) und Pierre Littbarski feiern die Weltmeisterschaft am 08. July 1990 in Rom nach einem 1:0 gegen Argentinien. AFP PHOTO / AFP PHOTO / STAFF

Arrigo Sacchi schafft den Libero ab und führt die Viererkette ein

Während man in Deutschland bis tief in die 1990er-Jahre große Erfolge etwa durch den Gewinn der WM 1990 sowie der EM 1996 mit der Taktik des Liberos feiern konnte, bastelte ein italienischer Trainer bereits an einer neuen Spielidee. Arrigo Sacchi krempelte während seiner Zeit beim AC Mailand den Fußball erneut um.

Sein Ansatz war es, dem Gegner Platz zu nehmen. Durch Raumverknappung würde er in eine Position geraten, die ihn zu Fehlern zwingen würde. Bei gegnerischem Ballbesitz nahm Milan eine 4-4-2 Formation ein und einer der Stürmer ließ sich ins Mittelfeld fallen. Die maximale Distanz zwischen dem letzten Abwehrspieler sowie dem vordersten Stürmer sollte in Sacchis System lediglich 30 Meter betragen. 

Die Doppelsechs erhält um die Jahrtausendwende Einzug in die Bundesliga

War lange Jahre der Libero der Schlüsselspieler von deutschen Mannschaften, wurde diese Aufgabe immer mehr an die Spieler im defensiven Mittelfeld abgegeben. Als die „Sechs“ eingeführt wurde, waren diese Spieler ausschließlich dazu da, den Spielaufbau des Gegners zu stören.

Deutsche Trainer wie Felix Magath änderten dies radikal, indem sie den „Sechsern“ auch offensive Aufgaben zuteilten. Die Idee dieser Trainergeneration bestand darin, das Zentrum unter Kontrolle zu bringen und dadurch das Spiel zu kontrollieren. Mit zwei defensiven und zentralen Mittelfeldspielern sollte das Defensivspiel abgesichert und das Offensivspiel angekurbelt werden.

Das moderne Torwartspiel hat einen Namen: Manuel Neuer

Einen großen Einfluss auf die taktische Entwicklung hatte zweifellos der deutsche Torhüter Manuel Neuer. Er gilt mit seiner offensiven Interpretation seiner Position als der Gründungsvater des modernen Torwartspiels. Neuer nimmt im Grunde die Position des Liberos ein, nur eben als letzter Mann.

Seine Denkweise des „mitspielenden“ Torhüters kann er umsetzen, da er über außerordentliche fußballerische Fähigkeiten wie kein anderer Torhüter vor ihm verfügt. Neuer verlässt seinen Strafraum regelmäßig, und zwar sowohl für das Einleiten von Angriffen als auch für das Unterbinden gegnerischer Angriffe.

Deutschlands Torhüter Manuel Neuer ist während des Fußball-Qualifikationsspiels Deutschland gegen Island für die FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Katar 2022 am 25. März 2021 in Duisburg, Westdeutschland, zu sehen. (Foto: Ina Fassbender / AFP)

Jürgen Klopp und Pep Guardiola haben den Fußball in Deutschland rundherum modernisiert

Der spanische Trainer Josep „Pep“ Guardiola steht als Synonym für eine neue taktische Ausrichtung des Fußballs insgesamt. Als Trainer des FC Barcelona führte er ein Konzept des Ballbesitzfußballs ein, welches später als Tiki-Taka in die Fußballgeschichte eingehen sollte.

Während seiner Zeit beim FC Bayern brachte er dieses Konzept auch zum deutschen Rekordmeister. Für ihn bestand die Logik dahinter darin, mit Kurzpassspiel den Ball in den eigenen Reihen zu halten. Seinem damals größten nationalen Rivalen Jürgen Klopp spielte diese Idee geradezu perfekt in die Karten. Borussia Dortmund überließ dem Gegner nämlich den Ball, um dann mit aggressivem Pressing und schnellem Umschaltspiel überfallartig nach vorne zu stürmen.

Eine neue Trainergeneration drängt in die Bundesliga

In den vergangenen Jahren wuchs in Deutschland eine neue Trainergeneration heran. Junge Übungsleiter wie Julian Nagelsmann, Domenico Tedesco, Marco Rose, Thomas Tuchel oder Edin Terzić kamen mit neuen taktischen Ideen in die Fußballbundesliga. Ihr taktisches Verständnis orientiert sich mitunter an jener Guardiolas.

Sie lassen ihre Mannschaften mehrere Formationen einstudieren und stellen mehrmals während eines Spiels ihre taktische Formation um. Ein Formationswechsel bei Ballbesitz oder in der Defensive gehört für sie ebenfalls zum taktischen Grundgerüst. Diese Trainer der neuen Generation legen daher viel Wert auf Spieler, die keine Positionsspezialisten, sondern möglichst flexibel einsetzbar sind.

Wie der Fußball der Zukunft aussehen könnte

Die Zukunft der Taktik in Deutschland hat vermutlich bereits begonnen. Einige Top Basketballspieler können etwa ebenfalls ein Lied davon singen. Die finanzielle Überlegenheit der deutschen Top Teams RB Leipzig, Borussia Dortmund und des FC Bayern München zwingt die Gegner zu „kreativen“ Lösungen. So erlebte der Catenaccio eine Art Wiedergeburt. Schwächere Gegner treten gegen die Top Teams mit einem Defensivbollwerk an, um einer Blamage, wie sie der Hamburger SV oder der FC Schalke 04 in München erleben mussten, möglichst zu vermeiden.